Vertragsarztrecht: Das Bundessozialgericht (BSG) hat nun klargestellt, dass es bei der Nachbesetzung eines Sitzes in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) auf die Möglichkeit der Praxisfortführung der gesamten BAG und nicht des einzelnen Sitzes ankommt, wie noch das vorinstanzliche Sozialgericht Berlin entschieden hatte (siehe Medizinrechts-Newsletter Januar 2018).

Aber auch bei einem Sitz in einer BAG muss der Zulassungsausschuss in einem ersten Schritt prüfen, ob die Nachbesetzung des Sitzes in einem überversorgten Gebiet aus Versorgungsgründen erforderlich ist oder ob der Sitz einbehalten werden und die BAG dafür entschädigt werden muss.

Ist der frei gewordene Vertragsarztsitz einer BAG zugeordnet und kann dieser nur von einem Arzt in der BAG fortgeführt werden, ist die Prüfung der „Entbehrlichkeit“ des Sitzes auch an der Struktur dieser BAG auszurichten, so das BSG. Dabei sei zunächst von Bedeutung, ob die Praxis in ihrer gewachsenen Ausrichtung überhaupt ohne die Nachbesetzung geführt werden könne; das betreffe sowohl die Konstellation, in der der ausgeschiedene Arzt das qualitative Angebot der Praxis geprägt habe, etwa weil er als einziger über eine Befähigung nach § 135 Abs 2 SGB V verfügte, als auch die Konstellation, dass die Fortführung der Praxis im bisherigen Umfang auf eine bestimmte Zusammensetzung ausgerichtet sei. Die Auslastung der Praxis an ihrem konkreten Standort sei dabei ein Indiz dafür, dass sie einen relevanten Stellenwert in der Versorgung habe. Auch der Fortführung des berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens könne, wenn das auf dem bisherigen quantitativen Niveau nur durch die Nachbesetzung gewährleistet werden könne, in diesem Kontext Bedeutung zukommen. Auch die Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Grundgesetz (GG) der verbleibenden BAG-Partner spiele bei der Entscheidung eine Rolle, so das BSG. Es sei deshalb geboten, im Rahmen der Entscheidung über die Nachbesetzung nach § 103 Abs 3a Satz 3 Sozialgesetzbuch V (SGB V) die berechtigten Belange der verbleibenden Mitglieder einer BAG zu berücksichtigen.

Diese Kriterien lassen sich auch auf die Nachbesetzung von Vertragsarztsitzen in MVZ übertragen.

Bei Angestelltensitzen kann jedoch ohne diese „Vorprüfung“ des Zulassungsausschusses über die Frage, ob der Sitz eingezogen wird, stets mit einem geeigneten Angestellten nachbesetzt werden. Es empfiehlt sich daher im Vorfeld eine medizinrechtliche Beratung darüber, welcher Weg im Einzelfall der sinnvollste und sicherste ist.

 

Autorin:
Maria-Stephanie Dönnebrink
Fachanwältin für Medizinrecht
Mediatorin
Frankfurt am Main

Quelle: Bundessozialgericht, Urteil vom 27.06.2018, Az: B 6 KA 46/17 R; Terminbericht Nr. 29/18

BSG: Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes in einer BAG