Die Weigerung eines Vertragsarztes, eine Versicherte wegen kapazitätsmäßiger Überlastung als Kassenpatientin zu behandeln, und die stattdessen am selben Tag erfolgende Behandlung der Versicherten aufgrund Privatliquidation stellen einen Verstoß gegen das Sachleistungsprinzip sowie gegen die Vorschrift des § 128 Abs 5a SGB V dar. Nach dem Sachleistungsprinzip hat der Arzt seine Leistung als Sachleistung, das heißt für den Kassenpatienten gänzlich kostenfrei zu erbringen.

Gem. § 13 Abs. 7 Satz 3 BMV-Ä darf der Vertragsarzt, sofern kein Fall des § 13 Abs. 7 Sätze 1, 2 BMV-Ä vorliegt, die Behandlung eines Versicherten nur in begründeten Fällen ablehnen. Grundsätzlich kann eine kapazitätsmäßige Überlastung des Arztes einen derartigen begründeten Ablehnungsgrund darstellen. Ist aber am selben Tage eine privatärztliche Behandlung möglich, liegt keine kapazitätsmäßige Überlastung vor.

Indem der Arzt die von der Versicherten begehrte GKV-Behandlung am selben Tag als privatärztliche Behandlung anbot und abrechnete, verstieß er gegen das Sachleistungsprinzip sowie gegen die Vorschrift des § 128 Abs. 5a SGB V. Diese lautet: Vertragsärzte, die unzulässige Zuwendungen fordern oder annehmen oder Versicherte zur Inanspruchnahme einer privatärztlichen Versorgung anstelle der ihnen zustehenden Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung beeinflussen, verstoßen gegen ihre vertragsärztlichen Pflichten.

Der Arzt kann sich auch nicht auf die Vertragsfreiheit berufen. Der Vertragsfreiheit steht die dem Arzt gegenüber der Versicherten obliegende Behandlungspflicht gem. § 13 Abs. 7 BMV-Ä entgegen. Über diese Behandlungspflicht hat der Arzt die Versicherte fehlerhaft informiert und somit unzulässig zur Unterzeichnung der Einverständniserklärung und Zahlung von 40,00 € „motiviert“.

Der Arzt verliert daher nicht nur seinen privatärztlichen Vergütungsanspruch gegenüber der Versicherten, ihm droht auch ein strafrechtliches Verfahren wegen Abrechnungsbetrugs.

Quelle: SG München, Urteil vom 23.04.2021, Az: S 28 KA 116/18

Keine kapazitätsmäßige Überlastung, wenn privatärztliche Behandlung am selben Tage möglich ist