Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub erlischt in der Regel nur dann am Ende des Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 19.02.2019 entschieden und damit vor dem Hintergrund des Europarechts seine bisherige Rechtsprechung geändert.

7 Abs. 3 Satz 1 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) sieht eigentlich vor, dass Urlaub, der bis zum Jahresende nicht gewährt und genommen wird, verfällt. Das galt nach bisheriger Rechtsprechung selbst für den Fall, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber rechtzeitig, aber erfolglos aufgefordert hatte, ihm Urlaub zu gewähren.

Diese Rechtsprechung hat das BAG weiterentwickelt und damit die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund der Vorabentscheidung vom 6. November 2018 (- C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) umgesetzt. Nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG ist es dem Arbeitgeber vorbehalten, die zeitliche Lage des Urlaubs unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers festzulegen. Die Vorschrift zwingt den Arbeitgeber damit zwar nicht, dem Arbeitnehmer von sich aus Urlaub zu gewähren. Allerdings obliegt ihm unter Beachtung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitzeitrichtlinie) die Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Arbeitgeber gehalten, „konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun“. Der Arbeitgeber hat klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums verfallen wird, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nimmt.

Bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 7 BUrlG kann der Verfall von Urlaub daher in der Regel nur eintreten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlischt, so das BAG.

In dem konkret entschiedenen Fall konnte der klagende Arbeitnehmer nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine finanzielle Entschädigung für nicht genommenen Urlaub aus mehrere Jahre zurückliegenden Zeiträumen verlangen.

Arbeitgebern ist daher anzuraten, Ihre Mitarbeiter routinemäßig jedes Jahr schriftlich aufzufordern, ihren Urlaub zu beantragen und sie explizit darauf hinzuweisen, dass der Urlaubsanspruch anderenfalls zum Jahresende ersatzlos verfällt. Dies sollte auch nachweisbar in der Personalakte dokumentiert werden.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Februar 2019, Az: 9 AZR 541/15; Pressemitteilung Nr. 9/19

Bundesarbeitsgericht: Verfall von Urlaubsansprüchen – Obliegenheiten des Arbeitgebers