Die Bundesärztekammer hat am 15.11.2013 Hinweise und Erläuterungen zur unternehmerischen Betätigung von Ärzten und der Beteiligung an Unternehmen – Möglichkeiten und Grenzen aus berufs- und vertragsarztrechtlicher Sicht – veröffentlicht.
Die wichtigsten Aspekte, die Ärzte bei einem unternehmerischen Engagement zu beachten haben, formuliert die Bundesärztekammer wie folgt:
- Ärztliche Behandlungsentscheidungen müssen nach medizinischen Gesichtspunkten getroffen werden und dürfen sich nicht von berufsfremden Erwägungen, insbesondere nicht von merkantilen Aspekten, leiten lassen. Stellen Sie sicher, dass in den vertraglichen und sonstigen beruflichen Beziehungen zu Dritten Ihre ärztliche Unabhängigkeit für die Behandlung der Patienten gewahrt ist.
- Unternehmerische Betätigung sowie die Beteiligung an Unternehmen ist Ihnen als Arzt umso eher gestattet, je klarer diese von Ihrer ärztlichen Tätigkeit getrennt sind und je weniger die unternehmerische Tätigkeit mit Ihrer ärztlichen Tätigkeit in Verbindung gebracht werden kann.
- Wenn Sie bei einer unternehmerischen Betätigung ärztliche Kompetenz einbringen, bleiben Sie an die Pflichten der Berufsordnung, insbesondere an das Gebot der gewissenhaften Berufsausübung, gebunden.
- Sprechen Sie Empfehlungen für einen bestimmten Leistungserbringer, unabhängig davon, ob Sie an seinem Unternehmen beteiligt sind oder nicht, nur aus, wenn Sie der Patient aus eigenem Antrieb darum bittet oder dafür ausnahmsweise ein hinreichender Grund besteht.
- Schaffen Sie gegenüber den Patienten Transparenz über die ggf. vorhandenen wirtschaftlichen Zusammenhänge zu einem Unternehmen, um das Recht der Patienten auf Wahlfreiheit unter den Leistungserbringern zu gewährleisten.
- Beachten Sie, dass es unzulässig ist, wenn Ihre Verordnungen oder die Zuweisung von Patienten einen spürbaren Einfluss auf Ihren Ertrag aus der Unternehmensbeteiligung haben. Dabei kann sich schon aus der Gesamthöhe der zufließenden Vorteile die Unzulässigkeit einer Beteiligung ergeben.
- Prüfen Sie Beteiligungsangebote kritisch, wenn Sie Anhaltspunkte dafür haben, dass nur bestimmte Gruppen von Leistungserbringern angesprochen werden oder Ihnen eine deutlich über den üblichen Marktkonditionen liegende Rendite versprochen wird.
- Bedenken Sie, dass Werbung für eigene oder fremde gewerbliche Tätigkeit im Zusammenhang mit Ihrer ärztlichen Tätigkeit berufsrechtlich unzulässig ist.
- Berücksichtigen Sie, dass entscheidend für die rechtliche Bewertung nicht die formale vertragliche Ausgestaltung des Beteiligungsmodells ist, sondern wie das im Vertrag Festgelegte im Alltag gelebt wird.
- Stimmen Sie Ihre Pläne für unternehmerische Betätigungen oder für eine Beteiligung an Unternehmen vorher mit der für Sie zuständigen (Landes-)Ärztekammer ab, um auch insofern Transparenz zu schaffen. Legen Sie vor Vertragsabschluss die Entwürfe zur Prüfung der berufsrechtlichen Implikationen der (Landes-)Ärztekammer vor und leiten Sie die Entwürfe zur Prüfung der vertragsarztrechtlichen Aspekte auch der Kassenärztlichen Vereinigung zu.
Zur Verdeutlichung greift die Bundesärztekammer u.a. folgende Beispiele auf:
Gewerbliche Ernährungsberatung:
Eine gewerbliche Ernährungsberatung dürfe ein Arzt sogar in den eigenen Praxisräumen durchführen, wenn er diese im Übrigen von seiner freiberuflichen, ärztlichen Tätigkeit in zeitlicher, organisatorischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht getrennt halte. Das schließe seine eigene Beteiligung an Informationsveranstaltungen ebenso wie die Abgabe von diätetischen Produkten im Rahmen der Ernährungsberatung ein. Im Gegensatz zur Vermarktung eines Diät- und Ernährungsprogramms zur Gewichtsreduzierung sei die individuelle Beratung hingegen eine ärztliche Tätigkeit und daher an die Niederlassung in einer Praxis gebunden. Würden dem Arzt im Rahmen der Durchführung der Informationsveranstaltung Umstände bekannt, wonach das Übergewicht Krankheitswert haben könne oder Folge bislang unbehandelter Krankheiten sein könne, müsse er den „Kunden“ unter Hinweis auf die freie Arztwahl auf die Notwendigkeit einer ärztlichen Abklärung hinweisen.
Abgabe von Waren oder gewerbliche Dienstleistungen:
Die Abgabe von Waren oder gewerbliche Dienstleistungen seien zulässig, wenn diese wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie seien und unmittelbar für die medizinische Maßnahme benötigt würden. Dies werde für die Anpassung von Kontaktlinsen, die Kontrastmittelabgabe vor einer Röntgenuntersuchung, das Verabreichen eines Schmerzmittels vor einer Gastroskopie, das Spritzen von Hyaluronsäure, oder dem Anwenden eines im Direktvertrieb bezogenen Medizinprodukts angenommen, so die Bundesärztekammer.
Gegenbeispiele seien die Abgabe von Bandagen außerhalb der Notfallversorgung oder von Nahrungsergänzungsmitteln. Diabetesteststreifen als im großen Umfang benötigte Verbrauchsprodukte dürfen aus dem Depot eines Sanitätshauses bei gesetzlich krankenversicherten Patienten nur im Notfall oder an Privatpatienten zusätzlich anlässlich einer Schulung zum Einüben oder zur Kontrolle des korrekten Gebrauchs abgegeben werden. Im Übrigen sei der Patient auf die Abgabe durch den Arzt nicht angewiesen, so dass es die Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit gebiete, dem Hilfsmittelanbieter den Vertriebsweg über die Arztpraxis zu verschließen und dem Patienten durch Übergabe der Verordnung die freie Wahl unter den Leistungserbringern zu ermöglichen.
In anderen Fällen sei im Einzelfall zu prüfen, inwieweit eine Einbeziehung des Arztes in die Abgabe eines Produkts oder die Erbringung einer gewerblichen Dienstleistung einer gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufes Vorschub leiste oder diese aus medizinischen Gründen geboten sei. Je stärker der Patient auf eine individuelle Anleitung oder Anpassungsleistung durch den Arzt angewiesen sei, desto eher dürfe der Hersteller den Arzt in die Abgabe des Produkts einbeziehen.
Betrieb eines Kosmetikstudios durch einen Hautarzt:
Handele es sich um Leistungen, bei denen der Hautarzt seine in der dermatologischen Weiterbildung erworbenen Fachkenntnisse einsetze, habe er sie im Rahmen seiner Praxis auszuführen und nach der GOÄ abzurechnen. Getrennt vom Praxisbetrieb könne er ein Kosmetikstudio betreiben oder sich daran beteiligen. Der Arzt solle einerseits seine Inhaberschaft transparent machen, andererseits aber auch Hinweise vermeiden, das Kosmetikstudio werde ärztlich geleitet. Solche Angaben können nach Auffassung der Bundesärztekammer wettbewerbswidrig sein. Sie würden ein fachliches Engagement des Arztes suggerieren, das er wegen des Gebots, ärztliche Leistungen, bei denen er seine Fachkenntnisse einsetze, in der Praxis zu erbringen, im Kosmetikstudio gar nicht gewährleisten könne.
Direkte oder indirekte gesellschaftsrechtliche Beteiligung an einem Unternehmen:
Ärzte dürfen für die Zuweisung von Patienten kein Entgelt oder andere Vorteile fordern, sich versprechen oder gewähren lassen. Ein „Vorteil“ sei dabei laut Bundesärztekammer jede wirtschaftliche Besserstellung des Arztes und könne daher auch ein Gewinnanteil oder eine sonstige Einnahme aus einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung, z. B. an einem Hörgeräteakustikunternehmen, sein. Für die Beurteilung eines berufsrechtlichen Verstoßes sei es maßgeblich, ob der Vorteil für die Zuweisung erfolge, d. h. der Geldfluss ursächlich für den dem Arzt zugewendeten Vorteil sei. Eine solche Kausalität bestehe zumindest immer dann, wenn der finanzielle Vorteil aus der Unternehmensbeteiligung unmittelbar von der Anzahl der Zuweisungen des Arztes oder dem Umsatz abhänge, welchen das Unternehmen aufgrund seiner Zuweisungen erziele.
Erfasst werde auch der Vorteil, der für einen Dritten verlangt oder gewährt werde, so dass ein berufswidriges Verhalten auch dann vorliege, wenn z. B. ein Generika-Hersteller die Geschäftsstelle einer Ärztegenossenschaft absprachegemäß in dem Umfang bezuschusse, in dem die Mitglieder der Genossenschaft seine Arzneimittel verordnen. Ebenfalls erfasst würden die Fälle, in denen z. B. nahe Verwandte als Treuhänder oder Strohmänner für den Arzt fungieren, d.h. indem sie zu Umgehungszwecken scheinbar, aber nicht wirtschaftlich, die Beteiligung halten.
Nicht zu beanstanden seien dagegen Beteiligungen, bei denen dem Arzt keine besseren Konditionen als jedem anderen, nicht-ärztlichen Kapitalanleger angeboten werden und solche Externen auch die realistische Chance haben, eine Beteiligung zu zeichnen.
Empfehlungen durch den Arzt:
Die Bundesärztekammer führt im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus, dass ein Arzt nicht von sich aus Empfehlungen für bestimmte Anbieter oder Produkte aussprechen dürfe. Nur wenn der Patient aus eigenem Antrieb um eine Empfehlung bitte, etwa, weil er keinen geeigneten Anbieter kenne, sei es dem Arzt erlaubt, dem Patienten einen Anbieter zu empfehlen. Frage der Patient gezielt nach einer kostengünstigen Versorgung, sei es dem Arzt nicht verwehrt, den nach nachvollziehbaren Erfahrungen preiswertesten Anbieter zu empfehlen.
Dessen ungeachtet könne für den Arzt aus dem Behandlungsvertrag die Nebenpflicht erwachsen, dem Patienten auch ungefragt einen ärztlichen Rat zu erteilen. Aus Fürsorge für einen Patienten, der nicht in der Lage sei, seine persönlichen Verhältnisse zu ordnen, könne es notwendig sein, ihm Orientierung im Gesundheitssystem zu geben und deshalb eine Empfehlung auszusprechen.
Im Übrigen rät die Bundesärztekammer zur Information der Patienten über die Rechtslage. So können Ärzte die Patienten im Wartezimmer durch Aushang oder in einer dort ausliegenden Broschüre darüber aufklären, dass sie den Arzt von sich aus nach einem geeigneten Anbieter gesundheitlicher Leistungen fragen müssen. Bei seiner Empfehlung solle der Arzt die Beweggründe für seine Empfehlung transparent machen.
Ungeachtet dessen müsse eine Empfehlung immer medizinisch notwendig sein. Weitere hinreichende Gründe für eine Empfehlung können laut Bundesärztekammer sein: die bessere Eignung des Anbieters oder die Qualität der Versorgung, sofern diese aus Sicht des Arztes aufgrund der speziellen Bedürfnisse des einzelnen Patienten besondere Vorteile für ihn biete, schlechte Erfahrungen mit einem Konkurrenten, Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte wie ein niedriger Preis, die Vermeidung von Wegen für Gehbehinderte, die Unzuverlässigkeit eines süchtigen Patienten oder der Umstand, dass ein Apotheker die Grundstoffe für Rezepturarzneimittel vorrätig halte.
Kein hinreichender Grund sei dagegen die abstrakte Gefahr der Missachtung der ärztlichen Verordnung oder die Bequemlichkeit der Patienten bzw. eines bestimmten Versorgungsweges, die langjährige und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit einem Leistungserbringer sowie der nicht nur kurzfristige Ausfall eines notwendigen, auch beim Optiker vorhandenen Geräts. Auch das wirtschaftliche Interesse des Arztes an einer Regressvermeidung rechtfertige kein Verweisen.
Werbung:
Eine Werbung für eigene oder fremde gewerbliche Tätigkeiten oder Produkte sei in Zusammenhang mit der ärztlichen Tätigkeit unzulässig. Denn eine solche Werbung vermittle den Anschein, der Arzt werbe, weil er hiervon finanzielle Vorteile habe. Es genüge bereits der „böse Schein“, um Zweifel an der ärztlichen Integrität zu wecken.
Quelle: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 110, Heft 46, S. A 2226 ff., 15.11.2013